Sinnstiftung auf 6300 Quadratmetern
Mit wienwork-Geschäftsführer Christoph Parak auf Rundgang durch die Werkstätten und Lokale eines außergewöhnlichen Unternehmens, das der in der Seestadt lebenden Bevölkerung in vielerlei Hinsicht einen Mehrwert bietet.

Wie viele Standbeine ein einzigen Standort entwickeln kann, beweist wienwork, das 1981 als Integrativer Betrieb gegründet wurde und mit rund 800 Mitarbeitern heute der größte Arbeitgeber der Seestadt ist. Das Besondere daran: Integrative Betriebe müssen mindestens 60 Prozent Mitarbeiter beschäftigen, die Behinderungen aufweisen und die am herkömmlichen Arbeitsmarkt nicht unterkommen.
Seit den 1980er Jahren ermöglicht das Behinderteneinstellungsgesetz den Rahmen für die Gründung Integrativer Betriebe. Nach wie vor müssen Arbeitgeber davon überzeugt werden, behinderte Menschen einzustellen. Da dies zu selten geschieht, bezahlen Unternehmen eine Ausgleichstaxe, wenn ihre Quote an Arbeitnehmern mit Behinderung nicht erfüllt wird. Diese finanziert die Integrativen Betriebe, die Menschen einstellen, denen per Bescheid eine Behinderung attestiert wurde.

Freiraum. Ob Rasen mähen, vertikutieren oder pflanzen, die Landschaftsgärtner-Lehrlinge kümmern sich darum. © Carolina Frank
Drei-Säulen-Strategie
wienwork ist nicht nur ein erfolgreich am Markt agierender Integrativer Betrieb, sondern verfügt mit der Inklusiven Berufsausbildung und dem Jobmanagement über zwei weitere Säulen im Unternehmen. „Wir bilden rund 180 Lehrlinge in elf Lehrberufen in enger Verzahnung mit den Geschäftsfeldern des Integrativen Betriebs aus“, erklärt wienwork-Geschäftsführer Christoph Parak. Jugendliche mit kognitiven Einschränkungen benötigen eine Bewilligung vom Fonds Soziales Wien, um bei wienwork eine verlängerte Lehre – vier statt drei Jahre – beginnen zu können.
„Gastronomie ist das größte unserer sieben Geschäftsfelder im Integrativen Betrieb“, berichtet Parak. „Wir betreiben 15 Standorte, an denen gekocht wird. Unser größter Kunde sind die Fortuna Wohnhäuser für Pensionisten, in denen wir rund tausend Pensionisten täglich kulinarisch verwöhnen.“
Aus einer Hand. Die Hochbau-Profis helfen beim Malen, Fliesenlegen, Mauern und Renovieren. © Carolina Frank
Imposante Werkshalle
Die meisten wienwork-Geschäftsfelder in der Seestadt sind in einer 6300 Quadratmeter großen Werkshalle angesiedelt, die 2015 eröffnet wurde. Davor waren sie an verschiedenen Standorten in Wien verteilt, was problematisch war, da die Werkstätten mitunter in Gründerzeithäusern untergebracht waren, die nicht barrierefrei waren. Seit 2017 befindet sich auch die wienwork-Unternehmenszentrale in der Seestadt. Die Werkshallen sind rund um einen geräumigen Hof angeordnet, der nicht nur als Parkplatz für die rund 40 eigenen Betriebsfahrzeuge dient, sondern zum Teil auch gärtnerisch gestaltet ist. Dafür sorgen Landschaftsgärtner-Lehrlinge unter der Leitung von René Eichhardt. Der gebürtige Berliner kam vor 13 Jahren aus Abenteuerlust nach Wien, seit acht Jahren arbeitet er nun für wienwork.
Die Berufsausbildung der Tischler wird von Tomislav Grieb-Jambrovic geleitet, der auf 14 Jahre Firmenzugehörigkeit zurückblickt. Durch erfolgreiche Tätigkeit am Markt verfügt der Betrieb mittlerweile über einen modernen Maschinenpark, der anspruchsvolle Tätigkeiten wie Kantenumleimen automatisch erledigt. „Wir produzieren hier rund 400 Küchen pro Jahr, 300 davon für Kindergärten und verschiedene Magistratsabteilungen der Stadt Wien“, freut sich Geschäftsführer Christoph Parak. „Das machen wir bereits seit 2012. Für unsere Arbeit verlangen wir marktübliche Preise, sonst würden wir in Konflikt mit der gewerblichen Wirtschaft kommen.“ In vielen Bereichen ist wienwork an Ausschreibungen erfolgreich beteiligt. Im Geschäftsfeld Digital Media werden beispielsweise fälschungssichere Scheckkarten-Ausweise wie Behindertenpässe für ganz Österreich produziert.


© Carolina Frank

Adäquate Löhne
Man merkt bei einem Rundgang durch das Firmengelände, dass wienwork wie ein herkömmliches Unternehmen agiert, nur eben mit dem Unterschied, dass 70 Prozent der Mitarbeiter Behinderungen haben. Parak: „Die zentrale Aufgabe als Integrativer Betrieb ist es, Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen und deren Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Dafür zahlen wir adäquate Löhne und Gehälter, um deren Existenzsicherung zu ermöglichen.“ Parak selbst war bis vor zweieinhalb Jahren im arbeitsmarktpolitischen Bereich tätig und leitete einen Dachverband. Daher kennt er die Aufgabenstellungen generell und konnte sich schon vorab ein Bild von den Herausforderungen bei wienwork machen.
In der Hochbau-Werkstätte erlernen Lehrlinge das Maurerhandwerk seit sieben Jahren von Manfred Binder mit der Besonderheit, dass beim Aufmauern einer Wand interessanterweise kein Zement verwendet wird. „Weil der Mörtel sich so nicht verfestigt, können wir das Material wieder abreiben und immer wieder einsetzen“, erläutert Binder.
Im auf der gegenüberliegenden Seite liegenden langgestreckten Gebäude befindet sich die Textilreinigung und das Bügel- und Nähservice. Mitarbeiter des Integrativen Betriebs und Lehrlinge vom Team der Ausbildungsbeauftragten Elisabeth Böhm arbeiten hier gemeinsam in strahlend weißer Berufsbekleidung, um zum Beispiel Hotels oder Rettungsorganisationen mit hygienisch sauberer Wäsche zu versorgen. Nach einer erfolgreichen Lehrabschlussprüfung werden die wienwork-Absolventen in der Regel auf einen externen Arbeitsplatz vermittelt. Für ein gutes Gelingen setzt sich ein multidisziplinäres Team, inklusive Fachpädagogik, Sozialarbeit und psychologischer Beratung ein.
Einzigartiger Integrativer Betrieb
In Bezug auf Größe und Vielfalt ist wienwork einzigartig unter den acht Integrativen Betrieben in Österreich. Die übrigen sind stark an der Industrie orientiert und bieten Ausbildung und Arbeitsplätze in der Elektrotechnik, Metall- oder Holzfertigung. wienwork ist mehr im Dienstleistungssektor engagiert. „Im Bereich Jobmanagement sind wir zurzeit in sieben Projekten involviert, die zu hundert Prozent gefördert werden“, berichtet Parak. „Fünf dieser Beratungsprojekte sind auf eine junge Zielgruppe abgestimmt. Etwa um Jugendliche im 21. und 22. Bezirk zu beraten und berufliche Perspektiven zu finden. Hier wird mit Schulen und Eltern zusammengearbeitet, weil es eine Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr gibt.“


© Carolina Frank

wienwork ist heute ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil der Seestadt. Parak: „Wir betreiben beispielsweise eine Postpartnerfiliale. Als größter Arbeitgeber vor Ort unterstützen wir auch den Ausbau der Seestadt. So freuen wir uns, wenn das Pharmaunternehmen Takeda hier eine Forschungsstätte für seltene Krankheiten errichtet und der seit Jahren ansässige Betrieb von Hoerbiger nun überlegt, mehr Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen.“ Da erfülle wienwork eine missionarische Tätigkeit für die öffentliche Hand.