Kommen Sie weiter, hier gibt's nichts zu sehen
Die Ausstellung „Dialog im Dunkeln“ hat sich in der Seestadt niedergelassen und etabliert. An die 40.000 Besucher kommen jährlich, die Mitarbeiter schätzen die neue Umgebung.

Die Welt so erleben wie jemand, der nicht gut oder gar nicht sieht: Das kann man seit rund einem halben Jahr in der Seestadt. Die bekannte Marke „Dialog im Dunkeln“ hat sich in der Barbara-Prammer-Allee niedergelassen und lädt auf rund 500 Quadratmetern Ausstellungsfläche dazu ein, eben gerade nichts zu sehen.
Von einem mit viel Holz eingerichteten, hellen Foyer im ersten Stock des Hauses, dessen Fenster hinaus auf den Elinor-Ostrom-Park gehen, starten wir los in die Dunkelheit. Jede Besucherin und jeder Besucher nimmt sich einen Blindenstock aus einer Kiste und folgt einem oder einer Sehbehinderten oder Blinden in die Installation. Vorab hat man von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesagt bekommen, dass man die linke Hand an der Mauer lassen soll, um zu merken, wenn es um die Ecke, hinauf- oder hinuntergeht. Der Umgang mit dem Stock wurde kurz erklärt, auch wurde man gebeten, gut auf den Führenden zu hören. Dann geht es los. Die kleine Gruppe von bis zu acht Personen folgt den Guides wie dem blinden Mekonnen Tiruneh durch die stockdunklen Gänge, man tastet sich an Wänden entlang, erlebt eine Parkatmosphäre sowie eine Stadtszenerie, erspürt ein Fahrrad oder einen Mistkübel und kommt in eine Bar, wo man sogar etwas zu trinken bestellen und schauen kann, ob es hier intensiver schmeckt. Aufgrund der Dunkelheit nimmt man das Plätschern eines Wasserfalls und die Autogeräusche deutlicher und verstärkter wahr. Zu viel soll nicht verraten werden, möge doch jeder Besucher und jede Besucherin selbst ertasten, was sich ihm oder ihr in den Weg stellt. Aber wer aus der Ausstellung herauskommt, hat mit Sicherheit mehr Verständnis dafür, wie es Menschen geht, die nicht oder wenig sehen.
Neuer Standort
Warum hat sich „Dialog im Dunkeln“ vor rund einem halben Jahr die Räumlichkeiten in der Seestadt als neuen Standort ausgesucht? „Wir waren zuvor 14 Jahre in einer Location im ersten Bezirk, die aber nun nicht mehr den Vorgaben für Veranstaltungsbetriebe entsprochen hat. Als wir uns nach Alternativen umschauten, haben wir uns gar nicht viel angesehen, sondern uns sehr schnell für die Fläche in der Barbara-Prammer-Allee entschieden“, erzählt Geschäftsführerin Eva Kriechbaum. „Hier haben wir nicht nur fast 700 Quadratmeter für die Ausstellung und unsere Nebenräume zur Verfügung, sondern auch alle Vorteile eines Neubaus und eines Stadtentwicklungsgebiets.“ Eigentlich war die Fläche anfangs für einen Co-Working-Space gedacht gewesen, wie es in der Seestadt ja schon mehrere gibt.
Doch rasch konnte man sie für „Dialog im Dunkeln“ umplanen: „Für uns war toll, dass wir, als wir hierherkamen, noch viel mitgestalten konnten und viel Spielraum hatten, weil die Räumlichkeiten noch in der Ausbauphase waren“, sagt Kriechbaum. Man habe sich dann angeschaut, wie man die bestehende Ausstellung, die man laut Lizenzgeber aus Deutschland betreibt, in die Räumlichkeiten einbauen könne: „Das hat sehr gut geklappt, wir mussten die Storyline der Schau nicht ändern und auch sonst sehr wenig adaptieren.“
Hile
Warum hat sich „Dialog im Dunkeln“ vor rund einem halben Jahr die Räumlichkeiten in der Seestadt als neuen Standort ausgesucht? „Wir waren zuvor 14 Jahre in einer Location im ersten Bezirk, die aber nun nicht mehr den Vorgaben für Veranstaltungsbetriebe entsprochen hat. Als wir uns nach Alternativen umschauten, haben wir uns gar nicht viel angesehen, sondern uns sehr schnell für die Fläche in der Barbara-Prammer-Allee entschieden“, erzählt Geschäftsführerin Eva Kriechbaum. „Hier haben wir nicht nur fast 700 Quadratmeter für die Ausstellung und unsere Nebenräume zur Verfügung, sondern auch alle Vorteile eines Neubaus und eines Stadtentwicklungsgebiets.“ Eigentlich war die Fläche anfangs für einen Co-Working-Space gedacht gewesen, wie es in der Seestadt ja schon mehrere gibt. Doch rasch konnte man sie für „Dialog im Dunkeln“ umplanen:

„Für uns war toll, dass wir, als wir hierherkamen, noch viel mitgestalten konnten und viel Spielraum hatten, weil die Räumlichkeiten noch in der Ausbauphase waren“, sagt Kriechbaum. Man habe sich dann angeschaut, wie man die bestehende Ausstellung, die man laut Lizenzgeber aus Deutschland betreibt, in die Räumlichkeiten einbauen könne: „Das hat sehr gut geklappt, wir mussten die Storyline der Schau nicht ändern und auch sonst sehr wenig adaptieren.“

Geschäftsführerin Eva Kriechbaum und einer der Guides, die die Besucher in Kleingruppen durch die völlig abgedunkelten Räume führen.
Im Dunkeln
Für die Geschäftsführerin der „Dialog im Dunkeln“-Filiale war auch wichtig, dass die Location gut gelegen ist: „Wir sind sehr gut erreichbar, da wir ja nur wenige Minuten von der U2-Station entfernt sind.“ Die Ausstellung lockt vor allem Schulklassen – darunter viele, die auf Wien-Woche sind – an, aber auch Privatpersonen, Vereine oder Mitarbeitende eines Unternehmens, die fernab des Arbeitsalltags einmal etwas gemeinsam erleben wollen. „Gerade die Schulklassen schätzen, dass sie sich vor und nach dem Besuch der Ausstellung im Elinor-Ostrom-Park austoben können.“ Gleichzeitig war es der Betreiberin ein Anliegen gewesen, „eines der ersten Kulturangebote hier in der Seestadt zu sein“, wie sie sagt.
„Für uns war die Idee sehr attraktiv, uns in einem Stadtaufbaugebiet niederzulassen – und eben schon da zu sein, wenn die Seestadt dann noch weiter etabliert wird und mit noch mehr Anziehungspunkten wie Einkaufs- und Gourmetangeboten locken wird. Sich früh in eine noch wachsende Stadt zu setzen, fanden wir eine sehr gute Chance.“
Offenheit der Besucher
Gleichzeitig passe auch die Mentalität, die sie hier in der Seestadt wahrnimmt, zum Gedanken des sozialpädagogischen Projekts, wie Kriechbaum unterstreicht: „Die Leute, die hier leben, kommen nicht nur selbst gern in unsere Ausstellung – wir haben viele Besucherinnen und Besucher aus der Seestadt. Doch darüber hinaus kannten uns sehr viele, die hier leben, rasch und leiteten Gruppen, die vielleicht nach dem Weg zu uns fragten, immer gern her.“ Generell spüre sie eine starke Offenheit der Bewohnerinnen und Bewohner der Seestadt: „Wir sind eine Ausstellung, die vom Anderssein erzählt und dieses auch begreifbar machen möchte – diese Bereitschaft, Toleranz zu zeigen, habe ich hier in der Seestadt von Anfang an stark wahrgenommen.“
Der Umzug in die Seestadt war auch für die Mitarbeitenden von „Dialog im Dunkeln“ eine Umstellung zum Positiven, erzählt Kriechbaum: „Gern verbringen einige von uns die Mittagspausen am See oder im Park vor der Haustüre. Dass wir nun in der Seestadt unseren Sitz haben, hat sehr zu mehr Lebensqualität rund um den Arbeitsplatz beigetragen.“ Jenen, die als Guides hier arbeiten, hat man anfangs die neue Umgebung nähergebracht, indem man sie von der U-Bahn-Station zur Location in die Barbara-Prammer-Allee begleitet hat. „Auf unserer Seite der Seestadt werden Bodenleitsysteme für die taktile Wegführung in Zukunft noch ausgebaut, während auf der anderen Seite der U2-Station schon zahlreiche solche Linien vorhanden sind. Durch diese findet man ja mit dem Stock leichter seinen Weg. Unsere Guides freuen sich schon, wenn das dann auch bis zur Barbara-Prammer-Allee der Fall sein wird“, sagt Kriechbaum. Auch starke Kontraste, wie sie beispielsweise bei der U-Bahn-Station angebracht sind, helfen sehbehinderten Menschen schon jetzt bei der Orientierung, erläutert sie. Generell sei in der Seestadt für jene, die partiell sehen, gut erkennbar, wo die Straße und wo der Gehweg sind. Außerdem finde sie, so erzählt Kriechbaum aus den Erfahrungen ihrer Guides und Menschen mit Sehbehinderungen aus ihrem Bekanntenkreis, dass die breiten Gehsteige, wie sie in der Seestadt vorhanden sind, zum guten Miteinander beitragen: „Denn, wenn mir jemand mit einem Blindenstock entgegenkommt, fällt es mir hier in der Seestadt, wo so breite Gehsteige sind, viel leichter, auszuweichen und Platz zu machen als beispielsweise im historischen Zentrum, wo das schon einmal zum Problem werden kann.“
In Sachen Barrierefreiheit müsse man in einem Stadtentwicklungsgebiet halt immer viele verschiedene Interessen beachten und bedenken, wie Kriechbaum unterstreicht: „Während für Menschen im Rollstuhl und solche mit Kinderwägen Gehsteigkanten ein Hindernis darstellen, sind diese für Menschen mit Sehbehinderung Orientierungspunkte. So kann man es natürlich nicht immer allen gleichzeitig recht machen, aber wir sind froh, dass hier in der Seestadt in der Planung auch Blinde und Sehbehinderte mitbedacht werden.“ Und sie fügt hinzu: „Barrierefreiheit hat für uns aber nicht nur mit der Frage zu tun, ob es Gehsteige oder Leitlinien gibt oder nicht.“ Vielmehr gehe es, so Kriechbaum, „auch um die Menschen, die rund um die Location leben – und wir haben rasch mitbekommen, dass viele von den Bewohnerinnen und Bewohner der Seestadt uns sehr positiv gegenüber eingestellt sind. Sie verstehen und begrüßen unsere Motivation, Menschen in die Lebenswelt von Blinden und Sehbehinderten einzuführen“.

Hilfreich. Die starken Kontraste beispielsweise bei der U-Bahn-Station bewähren sich als Orientierungshilfen. © Caio Kaufmann
Gesellschaftliche Inklusion
Für „Dialog im Dunkeln“ ist es natürlich von Vorteil, dass man sich in der Seestadt gut etablieren konnte, an die 40.000 Besucherinnen und Besucher kommen jährlich in die Ausstellung. „Dialog im Dunkeln“ erhält keine Subventionen, sondern kann sich selbst durch Eintrittsgelder finanzieren. Einzig personenbezogene Förderungen erhält man, auch die Möglichkeit, Zivildiener zu beschäftigen, ist gegeben. Lizenzgeber ist ein deutsches Unternehmen, Andreas Heinecke hat die Marke in den späten 1980er-Jahren als Social Franchise gegründet, seither gab und gibt es die lichtlose Installation in mehr als 30 Ländern und rund 130 Städten, mehr als zehn Millionen Besucherinnen und Besucher wurden weltweit angelockt.

Sichtkontakt. Wenn man mit der U-Bahn in die Seestadt reist, fällt einem die Ausstellung direkt ins Auge. © Luiza Puiu
Die heimische Geschäftsführerin Eva Kriechbaum kam 2006 über einen Studentenjob zu „Dialog im Dunkeln“, 2009 begründete sie nach dem Konkurs ihres Vorgängers die Lizenznahme neu mit, seit 2017 ist sie in leitender Funktion. Sie ist dem Gedanken von „Dialog im Dunkeln“ also lang verbunden, ihr geht es darum, gesellschaftliche Inklusion zu leben und den Besucherinnen und Besuchern quasi „vor Augen zu führen“, wie sich jemand, der nicht sieht, orientiert und vor welche Herausforderungen er in Natur und Stadtumfeld gestellt wird. „Natürlich darf es auch Spaß machen, hier im Dunklen zu ertasten, welche Objekte sich vor einem befinden, es geht uns vor allem darum, Verständnis und Aufmerksamkeit auf Menschen mit Sehbehinderung und ihre Notwendigkeiten zu lenken“, sagt Kriechbaum. „Wir möchten, dass die Besucherinnen und Besucher ihre Lebensrealitäten kennen und verstehen lernen.“
Dialog im Dunkeln
Die einzige Ausstellung, bei der es nichts zu sehen gibt. Reservierung erforderlich: 01 / 890 60 60
Öffnungszeiten:
Dienstag (jeder 2.) 09.00–18.00
Mittwoch–Freitag: 09.00–18.00
Samstag: 11.00–18.00
Sonntag (jeder 2.): 13.00–18.00
Montag: geschlossen
Feiertag (außer Montag): 12.00–18-00
imdunkeln.at