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Autor*in

Christian Lenoble

Veröffentlicht am 09.07.2021

2025 Innen:Stadt

Begeisterung und Disziplin

In aspern Seestadt investiert das biopharmazeutische Unternehmen Takeda einen dreistelligen Millionenbetrag in die Errichtung eines hochmodernen pharmazeutischen F&E-Gebäudes, das zum Flagship für Europa werden soll. Mit der Projektleitung ist Claudia Kaufmann betraut.

Begeisterung und Disziplin

Zur Person

Nach der Ausbildung an der Höheren Technischen Lehranstalt für Biochemie und Biotechnologie in Wien begann Claudia Kaufmann ihre berufliche Laufbahn 1987 als Labor-Forschungstechnikerin im Immuno AG F&E-Zentrum in Orth an der Donau. Ihr Einstieg ins Projektmanagement erfolgte 1999 bei Baxter AG (vormals Baxter Vaccine AG) als Projektleiterin von Laborkonstruktionen für Klinikimpfstoffchargen. Aktuell wirkt Claudia Kaufmann bei Takeda (Baxalta Innovations GmbH) als Director Project Management R&D Facility (R&D Business Operations).

Zum Interview

Sie sind Projektleiterin für die Errichtung des sogenannten „Labors der Zukunft". Was sind die Eckdaten dieses Projekts und welche Visionen sind damit verbunden?

Claudia Kaufmann: Es geht um die Errichtung eines Gebäudes mit fünf Obergeschoßen und drei unterirdischen Stockwerken auf einer gesamten Nettogrundfläche von rund 28.000 Quadratmetern, das nach höchsten ökologischen Standards errichtet wird. Das Gebäude wird Labor-, Büro- und Konferenzraumflächen sowie einen flexiblen und modular gestalteten Laborbereich zur Verfügung stellen. Eingeplant ist auch ein Demo-Labor für Universitäten und Start-ups, um Kooperationen im neuen Gebäude zu fördern. Der Neubau ist das größte Investment von Takeda in ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt in Österreich und wird zur Heimat von bis zu 250 Forscher*innen, die an neuen innovativen Therapien für Krankheiten arbeiten, für die es bisher noch keine oder nur unzureichende Behandlungsmöglichkeiten gab.

Was sind Ihre Aufgaben als Projektmanagerin?

Claudia Kaufmann: Das Projektteam ist unter meiner Leitung für die Kontrolle und Koordinierung der Planung und Durchführung verantwortlich, einschließlich aller Bau- und Gewerbegenehmigungen der lokalen Behörden, Logistik, Inbetriebnahme, Qualifizierung hinsichtlich der regulatorischen Anforderungen und der Qualitätssicherungssysteme von Good Laboratory Practice (GLP) und EHS (Environmental, Health and Safety) etc. Und es geht um den Material- und Personalfluss von rund 3000 bestehenden Laborgeräten und mehr als 200 Takeda-Mitarbeiter*innen in das fertige Gebäude, weil sich an die Gebäudeerrichtung das separate „Umzugsprojekt" anschließt.

Wie ist es dazu gekommen, dass Sie heute mit einem solchen Mammutprojekt betraut sind?

Claudia Kaufmann: Ich bin von der Ausbildung her Biochemikerin. Nach meinem HTL-Abschluss in Biochemie und Biotechnologie war ich viele Jahre im Labor angestellt und in Orth an der Donau im Forschungsbereich tätig. Ich hatte das Glück, an meiner Seite einen Mentor zu haben, der Persönlichkeit und Leistung schätzte, mir Freiheit gegeben und zunehmend Verantwortung übertragen hat. Ich habe dann begonnen, als Laboratory Supervisor eine Abteilung zu führen, und nachdem jedes Projekt immer auch mit einem gewissen Umbau der Betriebsanlagen verbunden war, hat sich daraus mit der Zeit, etwa ab der Jahrtausendwende, das Managen von Projekten ergeben. Der Weg führte mich also von der operativen Laborleitung hinein ins Projektmanagement

Haben Sie eine besondere Ausbildung abgeschlossen?

Claudia Kaufmann: Praktische Erfahrung ist im Projektmanagement von unschätzbarem Wert. Zwar habe ich über die Jahre zahlreiche Schulungen und Weiterbildungsmöglichkeiten im Unternehmen genutzt, jedoch habe ich festgestellt:

Das wirkliche Lernen findet durch die direkte Anwendung in der Praxis statt.

Claudia Kaufmann

Director Project Management bei Takeda

Wie wichtig ist spezifische Branchenkenntnis?

Claudia Kaufmann: Ich denke, ein umfassender Überblick ist von großer Bedeutung. Mit 30 Jahren in der Pharmaindustrie kann ich auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Ich kenne aus eigenem Erleben die Abläufe in Labors und Produktionsbereichen. Dieses praktische Wissen hilft. Bei mir paart sich also meine Leidenschaft, funktionsübergreifende Teams zu leiten, mit dem Knowhow, wie man anspruchsvolle Ziele in der pharmazeutischen Industrie erreicht. Hätte ich kein branchenspezifisches Fachwissen, wäre es um einiges komplizierter. Müsste ich beispielsweise ein großes IT-Projekt umsetzen, mit wenig detaillierter Kenntnis über operative Hintergründe, würde ich mir wahrscheinlich schwerer tun.

Was zeichnet gute Projektmanager*innen aus?

Claudia Kaufmann: In allererster Linie die Kommunikationsfähigkeit. Es gilt, auf Menschen zugehen zu können, miteinander zu reden, Personen an einen Tisch zu bringen und dabei keine Scheu vor Konflikten zu haben, die sich im Rahmen der Arbeit ergeben. Negatives klar anzusprechen ist wesentlich. Etwas unter den Tisch zu kehren, weil man eine schwierige Situation vermeiden will, zahlt sich auf lange Sicht nicht aus.

Konflikte zu vermeiden, bedeutet also nicht, Stress zu vermeiden?

Claudia Kaufmann: Nein, auf Dauer führt die Vermeidungsstrategie eher zu Problemen und somit auch zu Stress. Man muss sich vorstellen, dass ich in einem Großprojekt mit rund 100 Personen ständig in Kontakt stehe. Da gibt es das Projektkernteam, Generalplaner, Nutzervertreter, interne und externe Fachplaner, das Personal der ausführenden Baufirmen, Verantwortliche der Finanz-, Sicherheits- und Managementabteilungen, Behördenvertreter, Bankenpartner usw., die immer wieder unterschiedliche Meinungen und Interessen haben. Das nicht anzusprechen, um gemeinsam den besten Weg zu finden, wäre fahrlässig.

Und wenn die Kommunikation trotzdem nicht klappt?

Claudia Kaufmann: Dann muss man auch bereit sein, Konsequenzen zu ziehen. Was ich persönlich nicht akzeptieren kann, ist zum Beispiel Unehrlichkeit. Wenn sich so ein Verhalten wiederholt, kann es passieren, dass man sich von Personen im Team oder Partnern trennen muss.

Wie gehen Sie mit Kommunikations- und Konfliktstress um?

Claudia Kaufmann: Ich bin gut organisiert und nehme mir für die Vorbereitung auf Gespräche ausreichend Zeit. Es braucht wohl auch eine gewisse grundsätzliche Belastbarkeit. Und ich habe gelernt, dass es wichtig ist, vertrauensvoll delegieren zu können. Ich muss zugeben, dass dies nicht immer leicht ist, wenn man hohe Ansprüche an sich selbst und an das Ergebnis der Arbeit hat. Aber es ist notwendig.

Spießt sich das Delegieren mit dem eigenen Wunsch nach Perfektionismus?

Claudia Kaufmann: Immer 100 Prozent zu erwarten, ist nicht unbedingt zielführend. Manchmal muss man auch 70 Prozent akzeptieren, um weitergehen zu können. Ich habe mit der Zeit verstanden, dass es mitu n ter Mut zur Lücke braucht.

Braucht es in dem männerdominierten Umfeld Mut, um sich hier als Frau durchzusetzen?

Claudia Kaufmann: Es ist keine Selbstverständlichkeit. Ich musste es lernen, mich als Frau auf Baustellen oder in Besprechungen zu behaupten. Da geht es manchmal um interessante psychosoziale Details. Etwa, wenn es im Rahmen einer großen Baubesprechung darauf ankommt, den richtigen Sitzplatz am Tisch zu wählen. Ein befreundeter Generalplaner hat mir frühzeitig klargemacht, dass ich als Auftraggeberin nicht irgendwo am Rand sitzen sollte, sondern so zentral, dass ich im Mittelpunkt bin und einen Überblick habe.

Hat sich am „Spiel zwischen Frau und Mann im beruflichen Kontext in den letzten Jahren etwas geändert?

Claudia Kaufmann: Definitiv hat sich viel verändert. In den letzten 30 Jahren haben Frauen enorme Fortschritte erzielt im Sinne von Gleichberechtigung und Wertschätzung in Unternehmen. Trotz dieser Gleichberechtigung gibt es noch Verbesserungspotenzial, besonders bei Verhaltensweisen und subtilen Interaktionen. Hier wird es wichtig sein, weiterhin klare Grenzen zu setzen, respektvolles Miteinander zu fördern und auf Veränderungen hinzuarbeiten.

Als Mutter zweier Kinder sind Sie auch in der Familie gefragt. Wie gelingt Ihnen der Spagat zwischen einem hoch intensiven Beruf und dem Leben zu Hause?

Claudia Kaufmann: Ich habe das Glück, immer familiäre Unterstützung genossen zu haben. Da gebührt meinen Eltern, Schwiegereltern und meinem wunderbaren Mann großer Dank. Und natürlich geht es auch in der Familie darum, klar zu kommunizieren. Die Kinder wussten, dass es von Montag bis Donnerstag „wenig Mama“ gibt, aber dafür eben andere Bezugspersonen. Zugleich war es mir immer wichtig, besondere private Ereignisse nicht zu versäumen. Familie und Beruf ließen sich somit in meinem Fall gut vereinbaren.

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