Roman Mesicek ist einer der Macher der neuen Zeitschrift „Enorm“, ein Magazin für nachaltiges Wirtschaften und bewussten Konsum, davor war er viele Jahr...
Roman Mesicek ist einer der Macher der neuen Zeitschrift „Enorm“, ein Magazin für nachaltiges Wirtschaften und bewussten Konsum, davor war er viele Jahre Geschäftsführer von Respact, der CSR Initiative der Industriellenvereinigung. Er hat sich also intensiv mit der Vermittlung von Nachhaltigkeit befasst. Ex.alp erörtert mit ihm die Frage, wie nachhaltige Lebensstile – im wahrsten Sinn des Wortes – in aspern Seestadt „einziehen“ können.
Ganz entscheidend ist, nicht von einem „idealen“ Menschenbild auszugehen, und nur maßgeschneiderte Angebote zu kreieren, das birgt die Gefahr eines Öko- oder Bobo-Ghettos. Es wird Nachhaltigkeits-Pioniere geben, wie etwa jetzt schon die Baugruppen. Aber die Vielfalt macht eine Stadt aus, umso mehr eine Stadt, die sich die Zuschreibung „sozial nachhaltig“ auch verdienen will. Es braucht also planerisches Fingerspitzengefühl in der Balance zwischen konsequenter Umsetzung von Nachhaltigkeits-Kriterien bei gleichzeitiger Vermeidung eines Nischenproduktes.
Es gilt, Klischees zu antizipieren, die schon im Vorfeld viele abschrecken könnten. „In ganz aspern Seestadt kann man kein Fenster öffnen“, werden etwa manche denken, wenn sie von Passivhäusern hören. Es ist auch eine Frage welche Bilder in der Werbung für aspern Die Seestadt Wiens vermittelt werden. Derzeit entsteht mit den Werbematerialen doch ein relativ homogenes und damit auch etwas glattes Bild.
Der pragmatische Zugang sollte sein, die „normalen“ WienerInnen, jedenfalls jene, die sich nicht als PionierInnen sehen, grundsätzlich einmal nach aspern Die Seestadt Wiens zu bringen. Damit sie hinziehen, braucht es für sie attraktive Angebote, da geht es vermutlich um andere als Nachhaltigkeitskriterien. Hohe Einstiegsschwellen sind zu vermeiden, wie etwa weitgehende Verpflichtungen zu ganz bestimmtem Mobilitätsverhalten oder sozialen Aktivitäten. Wenn die Menschen einmal da sind, gilt es, sie mit Angeboten zu überzeugen; so kann am ehesten ein langsamer Bewusstseinswandel gelingen. Über solche vorgelebte Beispiele und Vorbilder können Schwellen ganz gut abgebaut werden.
Veränderung ist für viele nicht von vornherein positiv besetzt. Zum Thema Nachhaltigkeit kann man grundsätzlich versuchen zu überzeugen, zu missionieren, oder vorzuzeigen wie es geht. Für jene, die mit einem nachhaltigen Lebensstil noch nicht so viel anfangen können oder skeptisch sind, ist der dritte Zugang am effektivsten: Alternativen real erlebbar zu machen. Ganz entscheidend wird auch sein, wie Prozesse im Gemeinwesen organisiert werden, wie sich das aus der Sicht der BewohnerInnen „anfühlen“ wird. Es muss gelingen, unkomplizierte Begegnungen zu ermöglichen. Und: je früher die Einbindung zukünftiger Mieter gelingt, desto größer die Chance auf positive Aneignung von gemeinsamen Werten.
Wenn Menschen konkret erleben, welche Qualitäten sich durch durch kollektives nachhaltiges Handeln erzeugen, sind sie auch eher bereit, entsprechend zu agieren. Wenn etwa Kinder auf der Straße im Wohnquartier spielen können, weil die Wohnquartiere primär mit dem Fahrrad und zu Fuß erschlossen sind, überzeugt das doch viele. Die Vermittlung wird nicht pädagogisch oder moralisch sondern am ehesten mit einem pragmatischen Zugang gelingen. Und es geht darum, geduldig zu sein. Die Entstehung von Gemeinwesen, erst recht von Identitäten, braucht viel Zeit.