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Stadtteilmanagement Seestadt aspern

Veröffentlicht am 25.12.2014

Kultur

Seestadt.Schreiben - Robert Prosser #7

Die Großbaustelle Aspern-Seestadt erschafft bleibende Lebensräume. Mich, als Teil des diesjährigen Blog-Trios, interessiert, welche Veränderungen und Umb...
Die Großbaustelle Aspern-Seestadt erschafft bleibende Lebensräume. Mich, als Teil des diesjährigen Blog-Trios, interessiert, welche Veränderungen und Umbrüche in der Gegenwart des Kran- und Zementspektakels zu entdecken sind. In unregelmäßigen Streifzügen, so mein Vorhaben, soll das Gelände durchkreuzt werden, um Geschichten, Meinungen, Geschehnisse zu sammeln.   Der Glaser Ich will ungestört leben, wie und wo es mir taugt, sagte die Puppenspielerin im Gänseblümchen. Ich will nach Schottland und Stämme werfen, sagte der gebürtige Rumäne auf der Wiese zwischen U2-Station und Baustelle. Ich will Sortenvielfalt und anpflanzen was möglich ist und der Boden zulässt, sagte der Gärtner vom Sprungbrett und setzte nach: Ich will, dass viele Leut sich anschauen, was wir machen und eigene Ideen mitbringen. Ich will reisen, sagte Rahul, der 20jährige Sohn indischer Einwanderer, und mehr von der Welt sehen als Wien. Was ich will, geht dich nichts an, sagte der Graffiti-Sprayer. Mitte Dezember geh ich ein letztes Mal die Baustelle ab. Die Kantine „Big Mama“ ist vom Rand der breiten, die Seestadt durchkreuzenden Straße verschwunden, der Restaurant-Container einem Laternenpfahl gewichen. In der Wagensiedlung wurde, bleibt zu hoffen, genug Holz herangeschafft, falls wider Erwarten der Winter einbricht. Die Gemüse- und sonstigen Pflanzen des Sprungbretts sind bestimmt in einem Keller zwischengelagert. Die Highlander trainieren bei jeder Witterung, und so lange das ehemalige Flugfeld nicht vereist ist, laufen die abendlichen Kricket-Turniere auf Hochtouren. Vorm Shop, der einige Schritte von der Baustelle entfernt in Richtung Ubahn liegt, nippt ein Arbeiter an einer Dose RedBull und beobachtet, wie die untergehende Sonne den bewölken Himmel über der Fabrik rötlich färbt. Nächste Woche endlich Feiertage, sagt er, und dann mal heim nach Ungarn. Seit einigen Tagen zweifelt er am Sinn des Ganzen. Klingt schön: Arbeit in Österreich, Haus am Balaton. Letztens sei er aber am Christkindlmarkt im Ersten gewesen, beim Michaelerplatz. Die Arbeit dieses Tages war erledigt, die nächsten Fenster sollten erst am Tag darauf geliefert werden, und was böte sich mehr ans, als mit Glühwein und einem Spaziergang durch die Wiener Altstadt in den frühen Feierabend zu starten. Vorm Marktstand hörte er im Gedränge einen dumpfen Schlag und dachte sich nichts dabei. Jemand rempelte ihn an, raunte ihm zu, er soll sehen, dass er weg kommt. Verärgert, weil er Glühwein verschüttet hatte, drehte er sich um und sah den Security, der bis gerade eben den Juwelier gegenüber bewacht hatte, am Pflasterstein liegen, den Kopf in einer Blutlache. Im Inneren des Geschäfts ein vermummter Mann mit Pistole, ein zweiter griff in die Auslage und stopfte sämtliche Rolex-Uhren mit flinken Bewegungen in eine Sporttasche. Sirenen näherten sich, der eine steckte die Waffe ein, rannte den Kohlmarkt runter, der andere schulterte die Tasche und floh in die Herrengasse. Das erste Polizeiauto kam vom Heldenplatz, hielt mit quietschenden Reifen, wie im Film, erzählte er, es bremste und schlitterte einige Meter weiter. Um den Wachmann kümmerte sich niemand, weitere Polizeieinheiten rasten heran, aber umsonst, die Täter waren fort, stand am nächsten Tag in der Zeitung. Ich bin nur dagestanden und hab zugesehen, sagte er. Ich und jeder andere am Christkindlmarkt. War gesteckt voll, aber wie die abgehauen sind, gingen alle zur Seite, drückten sich an die Hauswände und machten Platz. Ich arbeite seit fast zwanzig Jahren als Glaser. In Österreich, Deutschland, der Schweiz, wo auch immer. Zwanzig Jahre. Die zwei haben nicht mal zwei Minuten gebraucht und sicher mehr Geld gemacht wie ich in nochmals zwanzig Jahren. Trauen müsste man sich halt.   Dieser Beitrag ist Teil des Projekts Stadt.Schreiben, im Rahmen dessen sich drei AutorInnen auf ihre individuelle Art literarisch mit der entstehenden Seestadt auseinandersetzen. Der Inhalt spiegelt die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider und muss nicht der Meinung des Stadtteilmanagements Seestadt aspern entsprechen.

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