Die Großbaustelle Aspern-Seestadt erschafft bleibende Lebensräume. Mich, als Teil des diesjährigen Blog-Trios, interessiert, welche Veränderungen und Umb...
Die Großbaustelle Aspern-Seestadt erschafft bleibende Lebensräume. Mich, als Teil des diesjährigen Blog-Trios, interessiert, welche Veränderungen und Umbrüche in der Gegenwart des Kran- und Zementspektakels, in dessen Abseits zu entdecken sind. In unregelmäßigen Streifzügen, so mein Vorhaben, soll das Gelände durchkreuzt werden, um Geschichten, Meinungen, Geschehnisse zu sammeln.
2. Der Highlander
Auf der Wiese zwischen Flederhaus und See steht Ende Mai ein bärtiger Mann mit nacktem Oberkörper. Er wuchtet einen Baumstamm hoch, wirft diesen weit von sich. Kurz durchgeatmet, dann beginnt das Schauspiel von neuem. Auf meine Nachfrage hin stellt sich der junge Mann als Highlander vor, gebürtig aus Rumänien, der hier mit sieben Gleichgesinnten für die klassischen Bewerbe dieser Sportart trainiert. In einer mit blauer Plastikfolie bespannten Holztruhe am Feldrand wird die Ausrüstung verwahrt, größtenteils verschiedenste Gewichte, die ihrerseits übers Gras geworfen werden. Der Stamm ist fünf Meter lang, wiegt 45 Kilogramm und muss in der Luft eine 360 Grad-Drehung absolvieren, erst dann ist der „Caber Toss“ erfolgreich. Stone put (Steinstoßen), Scottish Hammer Throw (Hammerwerfen, aber schottisch, d.h. das Eisen wird mit einer Körperdrehung möglichst weit geworfen, ohne dass sich die Füße vom Boden bewegen), Weight over the bar (ein Gewicht wird einhändig über eine Latte befördert) und Weight Throw (Gewichtwerfen) nennen sich die restlichen Bewerbe, die die Highland-Athletik definieren. Sheaf Toss, das Werfen eines Heu- oder Strohballens über eine in der Höhe angebrachte Latte, ist zwar ein bei der Menge beliebtes Spektakel, jedoch sind sich Sport-Historiker, bzw. Vertreter der Highland-Tradition unsicher, ob dieses tatsächlich zu den klassischen Formen gezählt werden darf und sich nicht vielmehr über Kirmes und Volksfest ins Repertoire geschlichen hat. Ursprünglich dazu gedacht, den keltischen Königen die stärksten und schnellsten Gefolgsleute zu finden, hat sich daraus, erzählt mir der rumänische Highlander, längst eine eigenständige Sportart entwickelt, die auch außerhalb Schottlands zahlreiche Liebhaber findet. Zu den Wettkämpfen in Wien und Umgebung reisen beispielsweise Konkurrenten aus Ungarn, Tschechien und der Slowakei an - zu solchen Anlässen wird Kilt getragen. Von LKWs aufgewirbelter Staub zieht über die Wiese und der Highlander erzählt weiter, vor einem Jahr den Entschluss gefasst zu haben, in dieser Sportart mehr als nur ein Hobby zu sehen. Die erste Station, um die Professionalität zu erreichen, nimmt er diesen September in Angriff, wenn die in Aspern trainierenden Sportler zu den bekanntesten Bewerben reisen, den „Scottisch Highland Games“ in Braemar, wo, ob der Nähe zur royalen Sommerresidenz, die Anwesenheit von Königin Elisabeth II. zu erwarten ist.
In einigen Jahren wird man von der Station Aspern Nord aus per Bahn Bratislava in dreissig bis vierzig Minuten erreichen können, schneller als das Zentrum Wiens - auf das schottische Hochmoor trifft dies in gewisser Weise bereits zu.
Dieser Beitrag ist Teil des Projekts Stadt.Schreiben, im Rahmen dessen sich drei AutorInnen auf ihre individuelle Art literarisch mit der entstehenden Seestadt auseinandersetzen. Der Inhalt spiegelt die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider und muss nicht der Meinung des Stadtteilmanagements Seestadt aspern entsprechen.