Das urbane Immunsystem
Wie hält man eine Stadt gesund? Und macht sie auch für jene Anziehungspunkt in Sachen Gesundheit, die nicht hier leben? Mit
einem vernetzten Gesamtkonzept, das über Österreichs Grenzen hinaus Strahlkraft entwickelt, von der Bewohner ebenso wie Gäste
profitieren.
Von Ellen Berg
Es ist ein Vergleich, der sich aufdrängt, wenn es um städtische Gesundheitsinfrastruktur geht: unser Immunsystem. Ein ausgeklügeltes
Geflecht von Akteuren in unserem Organismus, das beständig daran arbeitet, uns gesund zu halten und – falls doch einmal etwas
passiert – uns wieder zu heilen. Sehen wir die Stadt als Organismus, so ähnlich verhält es sich mit der Gesundheitsinfrastruktur:
In einer gesunden Stadt wohnt ein gesundes – und klug vernetztes – Angebot an medizinischen Dienstleistungen. Ärzte, Therapeuten
und Diagnoseambulatorien gehören dazu genauso wie Ansiedlungen von Forschungseinrichtungen. Letztere entwickeln sich in der
Seestadt nicht versteckt im Elfenbeinturm, sondern machen die neuen Therapieformen auch den Menschen zugänglich.
Austausch und Miteinander. Ein vernetztes Gesundheitsangebot ist Teil des Seestadt-Konzepts – schon immer: „Das war uns von Beginn der Planungen an
wichtig, denn die Seestadt ist eben nicht irgendein Stadterweiterungsprojekt, sondern soll für den 22. Bezirk und die angrenzenden
Gebiete eine relevante Zentrumsfunktion übernehmen“, erklärt Gerhard Schuster, Vorstandsvorsitzender der Entwicklungsgesellschaft
Wien 3420 aspern Development AG. „Dazu gehören neben Bildungsangeboten, Kinderbetreuung, Kultur und Sport auch ganz maßgeblich Gesundheitsdienstleitungen.“
Entsprechend habe es schon früh Anstrengungen gegeben, dass die hier angesiedelten medizinischen und therapeutischen Dienstleister
miteinander vernetzt werden und dass die Primärversorgungsstruktur kontinuierlich wächst. Im Pionierquartier gibt es deshalb
schon das „Stadthaus“ mit etlichen Praxen, die Entwickler wollen aber weitergehen. „Dazu haben wir über mehrere Jahre in der
Initiative gemeinsam gesund‘ mit finanzieller Unterstützung des Bundes und der Stadt Wien und aufgrund einer Bewohnerumfrage
geschaut, was es gibt, was es noch braucht und verschiedene Schwerpunkte unterstützt“, so der CEO. In einem nächsten Schritt
verfolgte das Monitoring, wie es den Dienstleistern geht. Um auch in Zukunft qualifiziertes medizinisches Personal nach Aspern
zu holen, sei es wichtig, diejenigen, die schon da sind, zu fragen, was noch benötigt wird. Denn auch Mediziner, Therapeuten
und Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen schätzen es, ein gut entwickeltes Netzwerk vorzufinden – das reicht von Kassenverträgen,
Therapieangeboten bis zur Möglichkeit, an Kollegen anderer Fächer in der Nähe überweisen zu können. Dazu wolle man „einen
guten Austausch und ein Miteinander“ pflegen, erklärt Schuster. Denn zu einem funktionierenden Gesundheitsangebot – mit Betonung
auf „Gesundheit“ – gehören eben auch jene Dinge, die nicht therapieren oder heilen, sondern vorbeugen: Sport- und Freizeitangebote,
die eine gesunde Work-Life-Balance ermöglichen. In der Seestadt findet man das vom Pole-Dance-Studio bis zum Reitsportsimulator;
vom Baby Spa bis zur boulderbar im Quartier „Am Seebogen“ – und ständig kommen neue dazu.
Das im Entstehen befindliche Gesundheitszentrum © Jana Madzigon
Das HoHo Wien © Jana Madzigon
Mehr Platz für Gesundheit. Ein solches Gesundheitsnetzwerk braucht die entsprechende Infrastruktur – die mit dem derzeit in Bau befindlichen Gesundheitszentrum
weiter wächst. Bis Herbst 2024 stehen hier in zwei sechsstöckigen Gebäuden fast 14.000 Quadratmeter für Angebote aus dem Gesundheits-
und medizinischen Bereich zu Verfügung. Für den Bauträger Sedlak Immobilien ist die Seestadt der ideale Platz dafür, „denn
zum einen ist der Standort infrastrukturell top angebunden, und zum anderen wird der Bedarf an entsprechenden Dienstleistungen
dort durch den Zuzug in den kommenden Jahren kontinuierlich wachsen“, erläutert Baumeister Christian Rassner, der die Projektleitung
für das Zentrum innehat. Als Mieter willkommen sind dort Dienstleister von praktischen und Fachärzten über Röntgeninstitute
und Massagetherapeuten bis zu medizinischen Fachgeschäften, „denn mit einem guten Mix aus Ärzten und Nebenberufen steht und
fällt ein solches Zentrum“, betont der Projektleiter. „Der große Vorteil eines solchen Hauses ist die Kompaktheit, die für
die kurzen Wege sorgt, die ein wichtiger Teil der Seestadt sind.“ Momentan sei man noch dabei, einige bürokratische Hürden
zu überwinden, um ein optimales Angebot zur Verfügung stellen zu können.
Hightech und Exoskelett. Wie spannend kompakte Konzepte im Gesundheitsbereich sein können, zeigt – gleich vis-à-vis – das Beispiel des HoHo Wien,
des zweithöchsten Holzhochhauses der Welt. Dort zogen 2020 die ersten Gewerbemieter ein – und kontinuierlich kommen neue dazu.
Aktuell entsteht mit Tech2People „im HoHo Next auf der fünften Etage ein wegweisendes Zentrum für robotische Neuro-, Physio-
und Ergotherapie“, berichtet Peter Lazar, Vorstandsvorsitzender der ViennaEstate Immobilien AG, die das Portfolio des HoHo
Wien managt. „Wir sind begeistert von diesem Projekt und streben an, dieses Vorhaben weiter zu unterstützen, indem wir ein
Therapiezentrum direkt im HoHo Next entwickeln. Die verfügbaren 2700 Quadratmeter Nutzfläche bieten dafür ausgezeichnete Möglichkeiten“,
beschreibt er das vorhandene Potenzial.
Patientin am Omego Plus © Jana Madzigon
Zusätzlich zu diesem Projekt freut sich der Immobiliendienstleister, der mit seinem Unternehmen selbst in der Seestadt ansässig
ist, über schon bestehende Ergänzungen im Gesundheitsbereich: „Dazu gehören das Fitnesscenter Gate 9 und das Hotel Dormero,
dessen Gäste das Fitness- und Wellnessangebot des Gate 9 nutzen können. Das ergänzt unsere Vision eines ganzheitlichen und
gesunden Lebensstils.“ Tech2People wird ab dem Herbst mit ihrem einzigartigen therapeutischen Konzept sicherlich zu den spektakulärsten
Mietern zählen: Mit einem Exoskelett, das Menschen mit Querschnittlähmungen ermöglicht, wieder aufrecht gehen und stehen zu
können. Gründer und Mastermind hinter Tech2People ist Gregor Demblin, der seit seinem 18. Lebensjahr nach einem Unfall im
Rollstuhl saß – und auch trotz intensivsten Trainings nicht wieder gehen konnte. Das änderte sich 2017, als Demblin das erste
Mal ein Exoskelett trug, mit dem er wieder aufstehen, gehen und auf Augenhöhe mit den Menschen kommunizieren konnte. Ein Erlebnis,
das der Forscher auch anderen Menschen mit Behinderung möglich machen wollte – und so gründete der Wiener Tech2people, ein
Therapiezentrum, in dem Neuro-, Physio- und Ergotherapie auf einem ganz neuen Niveau angeboten werden. Außerdem arbeiten die
Wissenschaftler hier an einer Software, mit der sich in Zukunft die Fortschritte einer Physiotherapie besser messen lassen
sollen.
Potenzial für den Standort. Die Bandbreite an Möglichkeiten tut nicht nur den Menschen in der Seestadt und den Bewohnern der umliegenden Regionen gut,
sondern auch dem Standort selbst. Denn dieser wird damit zunehmend auch für Menschen interessant, die aus medizinischen Gründen
in die Hauptstadt reisen. Wichtiger Dreh- und Angelpunkt ist dabei das Hotel Dormero im HoHo: Nimmt also jemand in Zukunft
eine Behandlung in der Seestadt in Anspruch, kann er hier ein paar Tage verbringen, zwischen Therapien einen schnellen Abstecher
in die Innenstadt machen, oder sich eine Veranstaltung in der Kulturgarage gönnen. Mit den eigenen Konferenzräumen und der
nahegelegenen Eventlocation ARIANA sprechen Hotel und Standort auch internationale Mediziner an, die jährlich die Fachkongresse
in Wien besuchen. „Dazu fallen mir unter anderem die der Radiologen und Kardiologen ein, die manchmal bis zu 20.000 Teilnehmer
bei ihren Veranstaltungen haben“, berichtet Johannes Lutter, Abteilungsleiter Stadtentwicklung & Mobilität bei der Klima-
und Innovationsagentur „Urban Innovation Vienna“, der regelmäßig an den alle fünf Jahre erscheinenden Strategiepapieren zur
Visitors Economy in Wien mitarbeitet. Ein Sektor, der nach der Pandemie langsam wieder zu alter Stärke zurückfindet, wenn
auch in veränderter Form: „Die Konferenzlandschaft verändert sich natürlich, nicht nur wegen Corona, sondern auch aufgrund
der Compliance-Regeln“, erklärt der Experte. Weshalb meist nicht mehr in altbekannten Fünfsternehotels abgestiegen wird, das
Begleitprogramm nah am Fach ist und alles kompakter wird.
Attraktive Anbindung. Eine neue Situation, die auch der Seestadt Chancen eröffnet, denn das Potenzial, sich als neue Gesundheitsdestination zu
positionieren, ist groß. „Hier gibt es eine Konzentration von Innovation und Forschung, einen smarten, nachhaltigen Stadtteil
um einen See, der auch eine Work-Life-Balance bietet – und einen öffentlichen Raum hat, der von den besten Köpfen mitgedacht
wurde“, streut er der Seestadt Rosen. Hinzu komme nämlich, dass mit aktuell drei Unternehmensansiedelungen aus dem Biotech-Bereich
die Seestadt bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad in der Branche hat. Auch das, was es darüber hinaus noch braucht, um
eine attraktive Destination zu werden, hat die Seestadt bereits: die sogenannten fünf „A“s - die von den Begriffen Attractions,
Activities, Accommodation, Accessibility und Amenities für Attraktionen, Unternehmungen, Unterkünfte, die Erreichbarkeit und
Infrastruktur abgeleitet sind. „Von Landmarks wie dem Multitasker HoHo Wien, über weitere Hotelinfrastruktur, der hochprofessionellen
Eventlocation ARIANA und die durch die Verkehrsberuhigung überall angenehme Atmosphäre“, so Lutter. Außerdem sieht er in naher
Zukunft eine weitere Steigerung in Sachen Erreichbarkeit: „Wenn man in einigen Jahren mit der Hochgeschwindigkeitsbahn zwischen
Wiener Innenstadt und Bratislava unterwegs ist, und die Seestadt auf halbem Weg liegt, kann ich mir vorstellen, dass das ein
weiterer Attraktivitätsfaktor werden könnte.“ In der Zwischenzeit geht nicht nur die Beschleunigung der Bahn weiter, auch
die Seestadt wächst – und damit das vielfältige urbane Angebot.
Einen Überblick zu Gesundheits- und Freizeitangeboten der Seestadt finden Sie hier.