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in der Seestadt.
Warum aspern Seestadt ein tauglicher Weg ist, dem Flächenfraß Einhalt zu gebieten.
Kommentar zur Nachhaltigkeit von Robert Lechner, Geschäftsführer Österreichisches Ökologie-Institut
In Österreich verbauen wir täglich 11,5 Hektar fürs Wohnen, Arbeiten, die damit zusammenhängende Infrastruktur und den ganzen
Rest aus Freizeit, Spaß und anderen Annehmlichkeiten. Dieser Europameistertitel der besonderen Art macht den politisch Verantwortlichen
− aufgrund der in dieser Sache weltweit berechtigt vorgebrachten Argumente von Greta Thunberg & Co − keinen Spaß mehr.
Das zuletzt von der nationalen Politik verlautete Ziel für 2030 ist seit zwei Jahrzehnten gleich und unerreicht. Maximal 2,5
Hektar oder 25.000 Quadratmeter pro Tag können wir uns erlauben, mehr nicht. Der seit Jahren stabile tägliche Anteil Wiens
am Flächenverbrauch Österreichs beträgt 0,2 Hektar oder acht Prozent des nationalen Zielwerts für 2030. Nur der Vollständigkeit
halber: In Wien lebt und arbeitet mehr als ein Fünftel der Bevölkerung. In der Seestadt liegt der Anteil an diesen 0,2 Hektar
Wiens bei statistischen 263 Quadratmetern pro Tag.
263 m² für den Klimaschutz
240 Hektar Bauland
für rund 25.000 dort lebende Menschen und 20.000 Beschäftigte soll die „Seestadt der kurzen Wege“ am Ende ausmachen. Dieses
„Ende“ wird vom Baubeginn im Jahr 2010 gerechnet auch dank der Einsprüche und Besetzungen jeglicher Art vielleicht erst in
25 Jahren erreicht sein − womit wir bei den statistischen 263 m² angelangt sind (Rechenhilfe: 240 ha / 25 Jahre / 365 Tage
= 263 m²). Jedes durchschnittliche Einfamilienhaus in Österreich braucht viermal so viel Fläche. Rund 19.000 dieser Häuser
wurden pro Jahr zuletzt in Österreich gebaut, im Schnitt mehr als 50 pro Tag. Die Seestadt ist umfassend effizient, benötigt
deutlich weniger Ressourcen als andere
Siedlungsformen. Sie ist seit Anbeginn auf
Nachhaltigkeit getrimmt, wird mit strengen Anforderungen qualitätsgesichert. Womöglich gibt es ohne Berücksichtigung der Mobilität,
der Bildungseinrichtungen, Arbeitsplätze und des ganzen Versorgungsrests energieautarke Wohnenklaven auf der grünen Wiese. Aber
nirgendwo sonst wird auf so wenig benötigtem Raum alles bereitgestellt, was
notwendig ist. Die U-Bahn gab es, lange bevor es irgendetwas anderes gab, Radwege, S-Bahn, Busse, demnächst mehrere
Straßenbahnen.Gemeinsam vorankommen
Mehr als 45.000 täglich bewegte Personen wird die Seestadt einmal ausmachen. Sobald alle Bildungseinrichtungen fertiggestellt
sind, kommen wohl noch einige tausend Schüler und Studierende hinzu, ebenso wie Gäste oder Menschen aus der Umgebung, die
zum Einkaufen kommen oder zum Arzt wollen. Wenn lediglich ein Fünftel der 45.000 mit dem Auto unterwegs wäre, dann machte
das knapp 20.000 Fahrten pro Tag aus. Lieferverkehr für Geschäfte, Betriebe ist hier noch nicht berücksichtigt. Dafür wird
es zusätzlich zum ÖV-Angebot auch die eine oder andere neue Straße brauchen. Denn die bereits vorhandenen Erschließungswege
sind dicht belegt, die Bevölkerung in der Donaustadt hat sich gegenüber den 1990er-Jahren verdoppelt. Dieses Wachstum ist
kein Selbstzweck, es verschafft Wien den dringend benötigten Entwicklungsraum. Wer Projekte wie die Seestadt verzögern oder
gar stoppen will, erreicht vor allem eines: die Fortsetzung des Flächenfraßes mit all seinen negativen Begleiterscheinungen.