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Gesundheitsexpertin Beate Wimmer-Puchinger macht Lust auf Bewegung, Achtsamkeit und Gesundheit. Auf einem
Spaziergang durch die Seestadt zeigt sie uns Ideen, Initiativen und Plätze, die fit und gesund halten.Von
Theresa SteiningerWer mit Beate Wimmer-Puchinger durch die Seestadt spaziert, möchte am liebsten sofort zu
sporteln beginnen. Etwa, wenn die Public-Health-Expertin und Initiatorin der Plattform
gemeinsam
gesund – das gesundheitsnetzwerk der seestadt auf die neu gebauten Sportplätze im
Elinor-Ostrom-Park
hinweist, wo gerade zwei Jugendliche Basketball spielen. Selbst schlechtes Wetter konnte dem Spaß der Buben dort keinen Strich
durch die Rechnung machen, sind sie doch durch die U-Bahn-Trasse über ihnen vor Regen geschützt. Oder wenn Wimmer-Puchinger
an den zahlreichen Freiluft-Turngeräten vorbeikommt, an denen man gezieltes Training betreiben oder auch einfach zwischendurch
ein paar Beinpressen ausprobieren kann. Erst recht kommt man auf den Geschmack, sich wieder ordentlich zu bewegen, wenn die
Psychologin und Frauen-Gesundheitsspezialistin durch die Janis-Joplin-Promenade geht, wo das Projekt „Stiegenfit“ startete.
Und man bekommt Lust, mal wieder ganz auf den eigenen Körper zu hören, wenn sie von Achtsamkeitsschulung sowie von vernetzter
Betreuung durch Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter und viele mehr erzählt.
Die Menschen fragen.
Aber der Reihe nach: Vor rund vier Jahren war Wimmer-Puchinger, die eigentlich am anderen Ende Wiens daheim ist, aber sichtlich
einen Narren an der Seestadt gefressen hat, mit Gerhard Schuster, dem CEO der Seestädter Entwicklungsgesellschaft Wien 3420
aspern Development AG, darüber ins Gespräch gekommen, was einem neuen Stadtteil wie der Seestadt guttun könnte.
Hat sie doch als ehemalige Frauengesundheitsbeauftragte der Stadt Wien und als Psychologin vielfältige Erfahrungen dazu. Im
ersten Schritt stapften im eisigen Winter 2017/18 Studierende durch die Seestadt, um die Bewohner und die Stakeholder über
den Gesundheitsstatus der Bevölkerung zu befragen. Auf Basis der Ergebnisse kreierte man dann zahlreiche Maßnahmen – alle
mit einem gemeinsamen Ziel, wie Wimmer-Puchinger erklärt: „Dass die Seestädterinnen besser Bescheid wissen, was sie für ihre
Gesundheit tun können – und sich auch mehr darum kümmern.“
Kompetenzen vereinen. Vernetzung spiele
dabei eine große Rolle, sagt Wimmer-Puchinger, als sie gerade an der ergopraxisaspern in der Maria-Tusch-Straße vorbeikommt.
Ihr großes Anliegen ist es, die Gesundheitsdienstleister der Seestadt untereinander zu vernetzen, damit sie noch enger zusammenarbeiten:
„Wenn ein Patient Diabetes hat, soll er nicht nur wegen Adipositas behandelt werden, sondern auch ein Bewegungs- und Ernährungsprogramm
zusammengestellt bekommen. Es geht uns darum, dass Mediziner, Yogatrainer, Physio- und Psychotherapeuten, Ergotherapeuten
und viele mehr ganzheitlich denken und kooperieren.“ Dazu hat man ein „Gesundheitslabor“ ins Leben gerufen, das Impulse für
mehr Austausch geben möchte: „Das brauchte anfangs Zeit, aber wir merken, dass hier schon viel Vertrauen zueinander gefasst
wurde.“ Außerdem biete man allen, die in der Seestadt im Gesundheitsbereich arbeiten, von Therapeutinnen über Sprechstundenhilfen
bis zu Ärztinnen, „spezielle Kommunikationstrainings an.“
Die ergopraxisaspern ist für Wimmer-Puchinger ein Paradebeispiel
dafür, wie man niederschwellig aktiv wird: Im Hannah-Arendt-Park wurden und werden „Hofspiele“ organisiert, die mit einfachem
Material dazu einladen, in die Welt des Spielens einzutauchen – und die von Ergotherapeutinnen kostenfrei betreut werden.
„Schon der erste Termin wurde ideal angenommen, wir freuen uns auf die nächsten Male“, so Wimmer-Puchinger.
Generell
legt man viel Wert darauf, vor allem auch Kindern Bewegung und Gesundheitskompetenz näherzubringen. „Anteilsmäßig ist die
Seestadt der kinderreichste Stadtteil Wiens, da ist es uns ein besonderes Anliegen, sie fit und gesund zu halten.“ Und dabei
zählen für Wimmer-Puchinger nicht nur die vielen kreativ gestalteten Spielplätze, die die Seestadt zu bieten hat und auf denen
sich die Kinder und Jugendlichen auf Trampolinen, Skaterampen und Spielgeräten austoben. Gerade kommen wir am „Leuchtturm“
vorbei, dem Mehrgenerationen-Wohnprojekt in der Barbara-Prammer-Allee. „Hier entsteht ein Kindergesundheitskompetenzzentrum,
in dem sich zwei sehr engagierte Kinderärztinnen mit anderen Berufsgruppen verbinden möchten, um Kindergesundheit ganzheitlich
zu betrachten. Hier wird alles Thema sein, was Kindergesundheit ausmacht – es wird einmalig“, sagt Wimmer-Puchinger und ihre
Augen leuchten. Was sie gleich zu einem weiteren Projekt führt, das ihr am Herzen liegt: Ein Primärversorgungszentrum direkt
in der Seestadt ist ihr Wunsch für die nächste Zukunft. „Wir möchten hier ein Zentrum entwickeln, das verschiedenste Gesundheitsberufe
unter einem Dach vereint und wo die allerneuesten Erkenntnisse umgesetzt werden. Der Schwerpunkt ist: Miteinander statt nebeneinander!
Wir haben hier schon die Fühler ausgestreckt und Zugänge zu den Finanzierungstöpfen sind vorbereitet.“
Buddies
finden. Aber nicht nur an einem Vernetzen der Gesundheitsdienstleister, sondern auch innerhalb der Nachbarschaft,
ist Wimmer-Puchinger gelegen: Hat man doch in einem so kinderreichen Stadtteil den großen Bedarf bei Müttern und Vätern eruiert,
sich auch einmal in Sachen Betreuung des Nachwuchses helfen zu lassen. Daher ist man nun auf der Suche nach „
Buddies“,
die die lieben Kleinen übernehmen, wenn Mama oder Papa arbeiten, sporteln wollen oder eine Auszeit brauchen: „Die Idee ist,
dass in der Seestadt, die heute schon die Größe einer Kleinstadt hat, jemand von um die Ecke rasch kommen kann, wenn er oder
sie spontan für die Kinder gebraucht wird.“
Von klein auf bewegen. Apropos Kinder und Eltern:
„Für sie hat der Turnverein das Projekt ‚Turngarten‘ initiiert, mit dem die Trainerinnen Sport mitten in den Alltag hineintragen
wollen und gemeinsames Bewegen von Familien anregen – direkt vor der Haustür. Es ist einfach toll, wenn du dich hier überall
bewegen kannst. Die ganze Seestadt fordert dich ja förmlich auf, aktiv zu werden. Es gibt inzwischen auch schon ein Angebot
für die Generation 60+“, berichtet Wimmer-Puchinger über eine Initiative der Wiener Gesundheitsförderung GmbH, während eine
Gruppe Nordic Walker an uns vorbeigeht.
Groß war die Resonanz im letzten Coronawinter, als das Projekt „Stiegenfit“ in
Kooperation mit dem Turnverein erfunden wurde, weil während der Lockdowns die Fitnessmöglichkeiten beschränkt waren: Hier
erklärte man kurzerhand Stiegenhäuser mehrerer Gebäude in der Seestadt zum „Fitnesscenter“. Plakate und Youtube-Videos regten
dazu an, mit einer Luftschnur Seil zu springen, Hampelmänner, Wechselsprünge, aber auch Dehnungs- und Yogaübungen im Stiegenhaus
zu machen: „In den Stiegenhäusern, die zum Sportplatz auf Zeit wurden, gibt es genug Platz, viel Luftvolumen und gute Luftfilter
– das war eine sichere und besondere Art Sport zu machen und wurde großartig angenommen.“
Abgesehen vom Turnverein ist
die Volkshochschule Seestadt ein wichtiger Partner für die Anliegen, die sich ja nicht nur auf körperliche, sondern auch auf
mentale Gesundheit beziehen. Ob es nun um Vorträge zu digitaler Kompetenz oder zum Thema Impfen geht, Interessierte bekommen
hier Informationen. Ein „Frauenabend“ zum Austausch wird beispielsweise in der VHS organisiert. „Die Seestadt ist ja deklarierte
Frauenstadt, wo sonst sind alle Straßen nach Frauen benannt? Gerade hier wollen wir auf die weibliche Hälfte der Bevölkerung
besonders schauen.“ Und auch in ihrer neuen Lieblingsbuchhandlung, wie Wimmer-Puchinger sie beschreibt, den Seeseiten auf
der Janis-Joplin-Promenade, gab es einen Abend zum Thema Brustkrebsvorsorge. „Es ist genial, wenn man sogar in der Buchhandlung
Gesundheit generieren kann – und es passt wieder zu unserem Konzept, Gesundheitsinformationen nah an den Alltag der Menschen
zu bringen.“
Initiativen für die Nachbarschaft. Das möchte man demnächst auch wieder bei einem
Angebot für Familien machen: So wie man im Sommer bei einem Family Picknick im Hannah-Arendt-Park über die Angebote von gemeinsam
gesund speziell für Familien informiert hat, will man nun bei der von Seestädter Gewerbetreibenden und Vereinen organisierten
Aktion „Lebender Adventkalender“ einen Einblick in Initiativen für Kinder geben. „Uns liegen Angebote next door am Herzen.
Das Tolle ist, dass die Menschen hier gut erreichbar sind, weil hier Vernetzung – zum Beispiel über das Stadtteilmanagement
– immer schon großgeschrieben wurde. Wobei wir ja hoffen, dass unsere Initiativen auch die Nachbarschaft erreichen. Die große
Chance bei einem so innovativen Stadtteil ist, dass man vieles von Anfang an einbetten kann.“ Spricht's und freut sich über
zwei Kinder, die an Turngeräten gerade mit aller Kraft versuchen, ein Gewicht mit den Armen herunterzuziehen. „Es ist schön
zu sehen, dass so vieles, was wir hier initiiert haben, auf fruchtbaren Boden fällt.“
Zur Person
Beate
Wimmer-Puchinger ist Präsidentin des Bundesverbands Österreichischer Psychologinnen, baute die Frauengesundheitszentren F.E.M./F.E.M.Süd
auf, war Frauengesundheitsbeauftragte der Stadt Wien und leitete den Aktionsplan Frauengesundheit des BMGF/Bereich „Frauen
im Erwerbsalter“.
Infos und nächste Termine: https://gemeinsam-gesund-seestadt.at/Gesundheitskonferenz „Frauen.Macht.Gesundheit“
Am 25. Jänner 2022 findet außerdem die 4. Gesundheitskonferenz
„Frauen.Macht.Gesundheit“ von gemeinsam gesund – dem gesundheitsnetzwerk seestadt statt. Der kostenlose Online-Kongress richtet
sich an all jene, die sich beruflich mit Frauengesundheit, Public Health und Primärversorgung beschäftigen.
Infos
zu Tickets: bit.ly/gesundheitskonferenz_tickets